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fadenheft

EiN KULTURMAGAZiN

Verfasser

Eva Prim

Eva Prim ist Musikwissenschaftlerin und Schriftstellerin. Sie liebt Musik, Kunst, Lesen (natürlich), Philosophie, Wandern und Katzen. Zur Zeit betreibt sie drei Blogs, einen davon auf Englisch. Auf textspuk findet ihr Kürzesttexte - jeden Tag kommt einer hinzu. Im fadenheft - EiN KULTURMAGAZiN werden alle anderen Themen behandelt. Gastbeiträge sind erwünscht. a musical offering, der englische Blog, umfasst ebenfalls verschiedene Themen. Eva Prim is a musicologist and writer. She likes music, arts, reading (of course), philosophy, walking and cats. Actually she provides three blogs, one of them in English. She is also to be found on pinterest. a musical offering provides different themes like literatur, including poetry, thoughts on social issues, philosophical thougts, music and more.

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Eva Prim – Collage #5

Spruch #12

Weil jedes Wort Hand und Fuss hat“

 

Eine Initiative lokaler Tageszeitungen. Eine Imagekampagne. Als ich zum ersten Mal das Plakat gesehen hatte, wollte ich etwas Lustiges dazu schreiben. Darüber was ein Wort mit Hand und Fuss anfängt. Vor allem mit einer Hand und einem Fuss. Hüpft es vielleicht oder versucht, einen Papierflieger zu falten?

Inzwischen finde ich das nicht mehr lustig. Ich finde es nicht lustig, dass Zeitungen es notwendig finden, ihr Image mit einer Kampagne zu verbessern, in der sie ihre Glaubwürdigkeit und Seriosität beteuern. Denn eine Zeitung, in der nicht die meisten Wörter („jedes“ ist ein sehr hoher Anspruch) Hand und Fuss haben, tut gerade nicht, was zu tun sie vorgibt: Zu informieren. Und zu argumentieren. Damit nachvollziehbar ist, wie es zu bestimmten Meinungen kommt, die abgedruckt werden.

Noch weniger lustig wird es, wenn wir fragen, warum Zeitungen eine solche Kampagne für notwendig halten. Nein, darüber möchte ich nicht lachen.



 

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Eva Prim – Collage #4

Collage3Eva Prim – Collage #3

Spruch #11

We can change the world“

Können wir? Können wir! Schließlich ist die Welt ein derart großes Gebilde, dass wir es vor allem als Abstraktum auffassen können. „Die Welt“ – was ist das nicht alles? Das sind Du und ich, wir Menschen und wir Tiere, wir Gewässer und Wüsten, wir Elemente, Sterne und Galaxien. Ein Universum im Großen wie im Kleinen. Unser Zusammenleben auf dem Planeten, den wir selbst „Erde“ nennen. Allein aufgrund ihres Begriffsumfangs können wir „die Welt“ ändern. Irgendwo, irgendwie. Insbesondere jedoch im Bereich des Menschlichen, des Sozialen und Politischen, des Handelns, des Denkens. Insbesondere für und durch uns selbst. Wir können uns ändern und ändern damit die Welt, deren Teil wir sind. Oftmals wird das, was wir ändern, eher geringe Auswirkungen außerhalb unseres direkten Aktionsradius haben. Andere Änderungen mögen im Kleinen anfangen, sich dann ausweiten und so immer größere Auswirkungen erlangen. Wenn wir uns selbst ändern können, können wir die Welt ändern. Ob und welche Veränderungen Verbesserungen sind, und dies für wen, sind andere Fragen.



Spruch #10

Essen Sie bei mir, sonst verhungern wir beide!“

Die neueste Masche an Jahrmarktsständen. Mir jedenfalls ist dieser Spruch erste in diesem Jahr aufgefallen. Und er klingt überzeugend. Klar: Ich habe Hunger und die Standbetreiberinnen und -betreiber können ohne zahlende Gäste nicht lange überleben.
Überzeugend; aber eben nur auf den ersten Blick. Schließlich kann ich mein Essen auch aus einer anderen Quelle beziehen. Andere Stände etwa machen mit dem nämlichen Spruch auf sich aufmerksam. Ich werde also nicht verhungern.
Für die Standbetreibenden kann und will ich an dieser Stelle allerdings nicht sprechen.



Spruch #9

Asyl – Nein!“

Genau. Das Boot ist voll. Wir können nicht für die ganze Welt zahlen. Wir werden völlig überfremdet.
Im Grunde genommen sind wir allerdings gar kein Boot, sondern ein demokratischer Rechtsstaat. Und wir wollen eine verantwortungsvolle politische Rolle in der menschlichen Staatengemeinschaft spielen. Nebenbei sind wir einer der weltweit größten Waffenhersteller. Wo aber Waffen sind, gibt es immer Menschen, die sie auch einsetzen wollen. Und jeder Waffeneinsatz bringt Menschen dazu, ihre Heimatregion zu verlassen und anderswo Asyl zu suchen. Und dennoch werden wir nicht völlig überfremdet, wir sind es immer schon, denn das Fremde wird sich immer ausdifferenzieren. In jeder Gruppe gibt es Mitglieder, die anders sind. Die fremd scheinen und ausgegrenzt werden. Die Ausländer, die Asylanten, die Frauen, die Hexen, die Linkshänder, die Geistesgestörten, die Juden, die Alten, die Dementen, die …, denen die Schuld daran zugeschrieben wird, dass wir uns verunsichert fühlen, weil sie nicht unseren gewohnten Mustern entsprechen – und wir nicht ihren. Ist das nicht ein feiner Grund, sich die Köpfe gegenseitig einzuschlagen? Zur Stärkung und Durchsetzung unserer Muster, die wir vor allem dadurch erkennen, dass andere ihnen nicht folgen.

Asyl – Nein? Weh uns, sollten wir mal auf die Hilfe anderer angewiesen sein.



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Eva Prim – Collage2

Spruch #8

SIE LESEN DIESEN TEXT
UND HABEN KEINE FAHRKARTE DABEI?
Das macht 40 €!“

Wenn Sie sich fragen, wieso Sie für das Lesen dieses Textes eine Fahrkarte – und nicht etwa eine Lesebrille – dabei haben sollen, so sind Sie gerade auf die Frage der Kontextbezogenheit von Texten gestoßen. Hätten Sie den Text statt in einem Blogpost dort gelesen, wo er ursprünglich veröffentlicht wurde, nämlich in einem öffentlichen Verkehrsmittel, ständen Sie nun vor anderen Fragen: Rettet Sie der Besitz einer Fahrkarte davor, die 40 € bezahlen zu müssen, obwohl Sie vergessen haben, die Fahrkarte abzustempeln? Werden Sie sich selbst anzeigen, falls kein Kontrolleur Ihr Schwarzfahren bemerkt? Nehmen Sie sich vor, das Schwarzfahren „irgendwie wieder gut zu machen“, um diesen Vorsatz zu vergessen, sobald Sie Ihre Fahrt beendet haben? Oder gehen Sie davon aus, dass das Verkehrsunternehmen durch Ihre eine unbezahlte Fahrt schon nicht zugrunde gehen wird? Würden Sie auch dann noch davon ausgehen, wenn Ihr Handeln als allgemeines Beispiel von allen Fahrgästen nachgeahmt würde? Oder betrachten Sie sich insofern als privilegiert, als das Recht zum (wenigstens einmaligem) Schwarzfahren nur Ihnen und nicht den anderen Fahrgästen zusteht?
Möglicherweise fahren Sie grundsätzlich nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Sind die vorangehenden Fragen dann für Sie irrelevant?

Wirklich?



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