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EiN KULTURMAGAZiN

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Spruchfaden

An jedem Dienstag wird ein neuer Spruch an diesen Faden geknüpft und kommentiert.

Spruch #12

Weil jedes Wort Hand und Fuss hat“

 

Eine Initiative lokaler Tageszeitungen. Eine Imagekampagne. Als ich zum ersten Mal das Plakat gesehen hatte, wollte ich etwas Lustiges dazu schreiben. Darüber was ein Wort mit Hand und Fuss anfängt. Vor allem mit einer Hand und einem Fuss. Hüpft es vielleicht oder versucht, einen Papierflieger zu falten?

Inzwischen finde ich das nicht mehr lustig. Ich finde es nicht lustig, dass Zeitungen es notwendig finden, ihr Image mit einer Kampagne zu verbessern, in der sie ihre Glaubwürdigkeit und Seriosität beteuern. Denn eine Zeitung, in der nicht die meisten Wörter („jedes“ ist ein sehr hoher Anspruch) Hand und Fuss haben, tut gerade nicht, was zu tun sie vorgibt: Zu informieren. Und zu argumentieren. Damit nachvollziehbar ist, wie es zu bestimmten Meinungen kommt, die abgedruckt werden.

Noch weniger lustig wird es, wenn wir fragen, warum Zeitungen eine solche Kampagne für notwendig halten. Nein, darüber möchte ich nicht lachen.



 

Spruch #11

We can change the world“

Können wir? Können wir! Schließlich ist die Welt ein derart großes Gebilde, dass wir es vor allem als Abstraktum auffassen können. „Die Welt“ – was ist das nicht alles? Das sind Du und ich, wir Menschen und wir Tiere, wir Gewässer und Wüsten, wir Elemente, Sterne und Galaxien. Ein Universum im Großen wie im Kleinen. Unser Zusammenleben auf dem Planeten, den wir selbst „Erde“ nennen. Allein aufgrund ihres Begriffsumfangs können wir „die Welt“ ändern. Irgendwo, irgendwie. Insbesondere jedoch im Bereich des Menschlichen, des Sozialen und Politischen, des Handelns, des Denkens. Insbesondere für und durch uns selbst. Wir können uns ändern und ändern damit die Welt, deren Teil wir sind. Oftmals wird das, was wir ändern, eher geringe Auswirkungen außerhalb unseres direkten Aktionsradius haben. Andere Änderungen mögen im Kleinen anfangen, sich dann ausweiten und so immer größere Auswirkungen erlangen. Wenn wir uns selbst ändern können, können wir die Welt ändern. Ob und welche Veränderungen Verbesserungen sind, und dies für wen, sind andere Fragen.



Spruch #10

Essen Sie bei mir, sonst verhungern wir beide!“

Die neueste Masche an Jahrmarktsständen. Mir jedenfalls ist dieser Spruch erste in diesem Jahr aufgefallen. Und er klingt überzeugend. Klar: Ich habe Hunger und die Standbetreiberinnen und -betreiber können ohne zahlende Gäste nicht lange überleben.
Überzeugend; aber eben nur auf den ersten Blick. Schließlich kann ich mein Essen auch aus einer anderen Quelle beziehen. Andere Stände etwa machen mit dem nämlichen Spruch auf sich aufmerksam. Ich werde also nicht verhungern.
Für die Standbetreibenden kann und will ich an dieser Stelle allerdings nicht sprechen.



Spruch #9

Asyl – Nein!“

Genau. Das Boot ist voll. Wir können nicht für die ganze Welt zahlen. Wir werden völlig überfremdet.
Im Grunde genommen sind wir allerdings gar kein Boot, sondern ein demokratischer Rechtsstaat. Und wir wollen eine verantwortungsvolle politische Rolle in der menschlichen Staatengemeinschaft spielen. Nebenbei sind wir einer der weltweit größten Waffenhersteller. Wo aber Waffen sind, gibt es immer Menschen, die sie auch einsetzen wollen. Und jeder Waffeneinsatz bringt Menschen dazu, ihre Heimatregion zu verlassen und anderswo Asyl zu suchen. Und dennoch werden wir nicht völlig überfremdet, wir sind es immer schon, denn das Fremde wird sich immer ausdifferenzieren. In jeder Gruppe gibt es Mitglieder, die anders sind. Die fremd scheinen und ausgegrenzt werden. Die Ausländer, die Asylanten, die Frauen, die Hexen, die Linkshänder, die Geistesgestörten, die Juden, die Alten, die Dementen, die …, denen die Schuld daran zugeschrieben wird, dass wir uns verunsichert fühlen, weil sie nicht unseren gewohnten Mustern entsprechen – und wir nicht ihren. Ist das nicht ein feiner Grund, sich die Köpfe gegenseitig einzuschlagen? Zur Stärkung und Durchsetzung unserer Muster, die wir vor allem dadurch erkennen, dass andere ihnen nicht folgen.

Asyl – Nein? Weh uns, sollten wir mal auf die Hilfe anderer angewiesen sein.



Spruch #8

SIE LESEN DIESEN TEXT
UND HABEN KEINE FAHRKARTE DABEI?
Das macht 40 €!“

Wenn Sie sich fragen, wieso Sie für das Lesen dieses Textes eine Fahrkarte – und nicht etwa eine Lesebrille – dabei haben sollen, so sind Sie gerade auf die Frage der Kontextbezogenheit von Texten gestoßen. Hätten Sie den Text statt in einem Blogpost dort gelesen, wo er ursprünglich veröffentlicht wurde, nämlich in einem öffentlichen Verkehrsmittel, ständen Sie nun vor anderen Fragen: Rettet Sie der Besitz einer Fahrkarte davor, die 40 € bezahlen zu müssen, obwohl Sie vergessen haben, die Fahrkarte abzustempeln? Werden Sie sich selbst anzeigen, falls kein Kontrolleur Ihr Schwarzfahren bemerkt? Nehmen Sie sich vor, das Schwarzfahren „irgendwie wieder gut zu machen“, um diesen Vorsatz zu vergessen, sobald Sie Ihre Fahrt beendet haben? Oder gehen Sie davon aus, dass das Verkehrsunternehmen durch Ihre eine unbezahlte Fahrt schon nicht zugrunde gehen wird? Würden Sie auch dann noch davon ausgehen, wenn Ihr Handeln als allgemeines Beispiel von allen Fahrgästen nachgeahmt würde? Oder betrachten Sie sich insofern als privilegiert, als das Recht zum (wenigstens einmaligem) Schwarzfahren nur Ihnen und nicht den anderen Fahrgästen zusteht?
Möglicherweise fahren Sie grundsätzlich nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Sind die vorangehenden Fragen dann für Sie irrelevant?

Wirklich?



Spruch #7

Achtung! Betreten der Eisfläche verboten!“

Dieser Spruch ist genau wie ein Spruch sein sollte. Er macht auf sich aufmerksam. Er sagt, was er zu sagen hat. Und das mit so wenigen Wörtern wie möglich.

Zwar kann unser Gehirn Verneinungen und entsprechend auch Verbote nicht verarbeiten. Aber was macht das schon bei einem Warnschild, das tagein, tagaus, das ganze Jahr hindurch, an ein und demselben Ort an einem Teich steht? Wir werden ihm folge leisten. Vor allem im Hochsommer. Übrigens: Das Baden im Teich ist nicht verboten. Obwohl es sich vermutlich als mindestens genauso gesundheitsschädigend erweisen dürfte.



 

Spruch #6

Wer Männer verstehen kann, kann auch durch Null teilen.“

Gut zu wissen. Ich hätte nicht gedacht, dass die Fähigkeit, Männer zu verstehen, einen solchen Mehrwert hat. Denn wer wollte nicht gern durch Null teilen können? Mir jedenfalls würde es – denke ich – Freude bereiten. Leider gilt, schon von der logischen Struktur her, nicht auch das Gegenteil zwingend. Denn durch Null teilen zu lernen, ist ein relativ abgegrenztes Problem mit einer eindeutigen Problemstellung, dass wir entweder lösen können oder auch nicht. Und wenn wir durch dessen Lösung gleich auch Männer verstehen könnten, eine ausufernde Problemstellung mit immer neuen Varianten, die uns in weiter und weiter in morastige Untiefen – also gut, ich höre schon auf …



 

Spruch #5

Die Welt war noch nie so unfertig.“¹

Erstmal durchatmen. Da hat der Deutsche Handwerkstag etwas festgestellt, was ihm wichtig genug ist, es uns mitzuteilen. Auf schönen, großen Plakatwänden. Was aber soll es bedeuten, dass die „Welt noch nie so unfertig“ gewesen sei? Welche Welt war noch nie so unfertig? Die Erde? Das Weltall? Die Natur? Die menschliche Zivilisation?

Und wieso unfertig? Woran erkennen wir, ob sie fertig ist oder nicht? Und wenn sie noch nie so unfertig war, müssen wir dann annehmen, dass sie in früheren Zeiten fertiger als heute gewesen ist? Sich also zur Unfertigkeit zurückentwickelt hat? Ein Verfall vom goldenen bis zum digitalen Zeitalter?

Wodurch nur hat sich dieser Verfall ereignet? Und was können wir dagegen tun? Das Handwerk als Lösungsansatz klingt zwar verlockend. Allerdings wird das Handwerk schon mindestens seit der Antike betrieben. Es scheint also bisher nicht in der Lage gewesen, die Unfertigkeit  zu bemeistern – im Gegenteil. Warum schlägt es sich dennoch als Lösung vor?

Und nicht zuletzt stellt sich mir die Frage: Ist es überhaupt ein Problem, dass die Welt unfertig ist?


 

¹Deutscher Handwerkskammertag (DHKT) e. V – http://handwerk.de/handwerk



 

Spruch #4

No paper – the risk of life“

Ein Spruch aus dem wahren Leben. Ein Klassiker. Der sich immer wieder bewahrheitet. Und eine Herausforderung für jeden Menschen, der nicht wie Walter Kempowskis Vater stets einige Blatt Toilettenpapier im Ärmelaufschlag mit sich trägt.



 

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